Während ich den heutigen Eintrag verfasse, habe ich bereits meine Beine ins Bett geschwungen. Angelehnt an mein riesiges Kissen, tippe ich diese Zeilen. Um 20 Uhr ins Bett zu gehen mag für einige Menschen ungewöhnlich sein, für mich ist es seit der Krebsdiagnose im letzten Jahr – Alltag.
Jeden Abend falle ich entweder früh in die Federn oder habe tagsüber ein längeres Nickerchen hingelegt, um einen Abend zu überstehen. Derzeit beginnen unsere Tage wieder um 6.20 Uhr am frühen Morgen. Die Kinder müssen alle aus ihren Betten geholt werden und allein diese Kraftanstrengung kostet mich Nerven. Um 7 Uhr sind dann bereits zwei von drei Kindern aus dem Haus, so auch an diesem Morgen. Während ich der Jüngsten den Radhelm anpasse, wuselt der Mann hinter mir herum und druckt Dokumente aus – alles wie immer –
Als das Kind zur Schule gebracht ist, treffen der Mann und ich uns vor der Haustür. Ich frage ihn ob wir noch gemeinsam eine Runde spazieren gehen wollen und dankbar stiefeln wir beide meine tägliche 2,5 km Runde durch den Norden Pankows. Als wir zu Hause ankommen haben wir geredet, gelacht und unsere Hände gehalten.
Danach ein schnelles Frühstück für den Mann und für mich einige Medikamente. Ich warte schon im Auto, als er dann auch dazukommt und ich bringe ihn zum nächsten Bahnhof. Ich muss heute nämlich zu 8.30 Uhr bei meiner Gyn-Onkologin sein, denn heute bekomme ich die letzte Krankschreibung, die angedacht ist. Ab Oktober steige ich wieder in meinen Job ein, erstmal für einen Tag die Woche. Es fühlt sich gut und komisch zugleich an, heute diese “Abschlussbescheinigung” abzuholen. Immerhin erhalte ich noch bis Februar 2025 eine Tablettenchemotherapie, aber man muss halt irgendwann wieder arbeiten und ob man da mit Bauchkrämpfen oder Durchfall sitzt, das ist der Krankenkasse dann ziemlich egal. Ich bin also gewillt wieder ein Mitglied der arbeitenden Bevölkerung zu werden, auch wenn ich doch etwas Muffensausen davor habe – gebe ich ehrlich zu.
Nach dem Termin dort möchte ich endlich mal Katzenfutter kaufen gehen. Nur in einem Laden gibt es diese großen Tüten für die Katzen, also will ich dahin. Schon von Ferne höre ich Sirenen und dann sehe ich sehr viele Rettungswagen, einen LKW und ein Fahrrad. Die Polizei winkt einen in eine Seitenstraße und ich kann nur hoffen, dass es dem Radfahrer/ der Radfahrerin gut geht und die Ärzte früh genug vor Ort waren.
Nach dem Arzt ist vor der Apotheke. Ich fahre also dorthin und gebe mein neues Rezept ab. Meine monatlichen Tabletten kosten 1960 Euro. Sie sollen verhindern, dass nochmal Krebszellen nachwachsen, da ich leider noch sogenannte Mikrometastasen unter meiner Achsel gespeichert hatte (nach der Chemo). Alles für die Zukunft also, auch das Bauchweh. Das Rezept für die Antidurchfallmedikamente muss ich auch jedes Mal einlösen und halte danach noch kurz beim Netto, da uns Möhren und Sellerie fehlen.
Beim Netto gibt es schon echt viel Weihnachtskram und irgendwie fühlt sich das seltsam an, denn draußen sitzen die Menschen in dünnen Shirts und mit Sonnenbrillen herum. Zuhause frühstücke ich, schaue eine kleine Serie und werfe mir dann die erste von meinen Chemotabletten und Begleiter für heute ein. Nach ca. 1 Stunde bekomme ich Bauchweh und lege mich hin. Ich schlafe ein wenig, renne ab und zu ins Bad und schlafe dann wieder. Das ist eigentlich so mein Tagesablauf seit März 2023, unschön aber normal.
Als ich geschlafen habe und damit kein neues Bauchweh kommt, schwinge ich mich gleich aufs Rad und sammle das kleine Kind von der Schule ein. Wir radeln gemeinsam nach Hause und ich koche mir dann erst einen koffeinfreien Hafercappuchino, den ich leider auch nur noch semi vertrage, aber mir nicht vermiesen lassen will. Heute ist ein großer Tag, denn unsere Katze soll das erste Mal raus in den Garten gehen.
Als ich die Tür aufmache tappt die Katze nach draußen. Sie war nun drei Monate drinnen und hat der anderen Katze immer sehnsüchtig nachgeschaut. Zuerst knabbert sie Gras am Rand der Terrasse und dann schaut sie sich ein wenig im Garten um. Als ich sie rufe kommt sie angerannt (was wirklich erstaunlich ist) und nach einer Stunde Beobachtung durch mich (das Kind ist inzwischen bei den Nachbarn verschwunden), hebe ich sie auch wieder hoch und trage sie hinein. Der Gewöhnungsprozess für heute ist somit abgeschlossen. Während die Katze neben mir im Garten stand habe ich Tomaten gepflückt, eine große Schale voll.
Da gute Tomatensaucen lange ziehen müssen (sagte mal mein italienischer Schwager), fange ich an zu kochen. Genauer gesagt kocht der Thermomix, den wir dank einer tollen Frau Ende des Jahres geschenkt bekommen haben. Ich richte mich also nach dem Gerät und die Sauce kocht in Ruhe im Hintergrund ein, als der Sohn von der Schule kommt. Nach und nach kommt dann auch der Mann von der Arbeit und die große Tochter von der Schule heim. Sie bringt mir ein Foto mit, dass sie ausgedruckt hat – es ist wunderschön – sie hat es selbst gemacht und ich finde das Foto so toll!
Ich frage den Mann ob er nochmal mit mir eine Runde spazieren geht und wir wiederholen unsere Morgenrunde. Da ich jeden Tag 10.000 Schritte gehe, sind somit für heute alle erledigt.
Der Mann kocht dann noch glutenfreie und glutenhaltige Nudeln und wir essen gemeinsam. Es ist schön gemeinsam zu sitzen und ein wenig zu reden. Zum Nachtisch gibt es einen Obstteller, den finden alle immer gut.
Es folgt die Begleitung beim Zähne putzen, bevor ich fast einschlafe, als ich mit dem kleinen Kind eben gekuschelt habe. Nun liege ich also schon im Bett und die Kinder sind wohl auch in ihren Betten. Irgendwie ein richtig guter Tag, der gleich mit der Einnahme der nächsten Chemotablette abschließt und dem Wunsch, Bauchweh frei einzuschlafen.
Gute Nacht, Alu
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