Wilmersdorf und ich
Die Frau meint ich solle mal wieder was schreiben.
Hab ich doch, sage ich (aber ich bin doch so erschöpft).
Sie sagt Gedichte unkommentiert hineinstellen, zählt nicht.
Ich denke, mein Kopf ist so voller Eindrücke – ich will nur Ruhe.
Perle meint, sie müsse ja auch wieder schreiben.
Was kann ich schreiben, von Erschöpfung und Erlebtem?
Meine derzeitigen Gedanken gehen viel um die Menschen (herum ;-)) –
unser Verhalten und ihre Beziehungen (Es geht doch immer um Beziehungen).
Es ist der novembrige Oktober, der mir schon in den Knochen steckt
Und dann stöbere ich durch einen alten Eröffnungsvortrag (Thema: Christliche Kunst),
in diesen habe ich ein Gedicht eingeflochten. Dieses Poem hat für mich viele Schichten.
Es geht um Beziehungen und um Nichtbeziehungen.
Es handelt von mir und den anderen Nerventötern in dieser Welt.
Es geht um Heiliges, hier – dort – im Mikro und Makro.
Sie wird fragen, was das alles soll. Ich will nicht allem großen Sinn beimessen.
Hier das Gedicht (Wie findet ihr es, sagt es euch was?).
Ich
fürchte mich so vor der Menschen Wort.
fürchte mich so vor der Menschen Wort.
Sie sprechen alles so deutlich aus:
Und dieses heißt Hund und jenes heißt Haus,
und hier ist Beginn und das Ende ist dort.
Mich bangt auch ihr Sinn, ihr Spiel mit dem Spott,
sie wissen alles, was wird und war;
kein Berg ist ihnen mehr wunderbar;
ihr Garten und Gut grenzt grade an Gott.
Ich will immer warnen und wehren: Bleibt fern.
Die Dinge singen hör ich so gern.
Ihr rührt sie an: sie sind starr und stumm.
Ihr bringt mir alle die Dinge um.
(Rainer Maria Rilke, 21.11.1898, Berlin-Wilmersdorf )
1 Comment
Trollblume
13. November 2015 at 20:23Oh ja, als Deutschlehrerin sagt mir dieser Gedicht etwas. Ich habe es im letzten Schuljahr mit meiner 13. analysiert. Ich mag es sehr gerne, eben weil es so vielschichtig ist. Es gibt im Übrigen auch eine Vertonung des Gedichts von Xavier Naido.