Schenk mir ein Liebeslied

„Ich hoffe du schreibst Liebeslieder über mich“, sagt die Liebste am Abend des 1. Tages. Heute hat sie ihre dritte Gabe der Chemotherapie erhalten. Heute ist es sehr heiß in Berlin. Heute fühle ich mich erkältet. Heute beginnen für uns Tage ohne die Kinder. Darüber hinaus wird mir klar, dass wir beide viel Glück miteinander haben. Wie wertvoll auch diese Momente sind, völlig erschlagen und kämpfend gegen den Krebs. Die Angst ist groß bei uns beiden, doch so weit ist es noch nicht. Hoffentlich kommt es nie so weit. Sie will nur schlafen, doch das Cortison hält sie wach. Früher habe ich anderen Menschen Liebeslieder geschrieben. Doch mein Liebesleben mit Alu brauchte bisher keine von mir gedichteten Lieder (zumal die mindere Qualität unserer nicht würdig wäre).

Letzte Woche waren wir im Urlaub. Das war Alus Ziel, etwas Zeit zusammen an der Ostsee. Es war wunderbar. Eines Abends fragte sie mich, was die drei besonderen Dinge heute waren. Sie würde diese nun sammeln und ich stockte. Eigentlich war und ist doch alles besonders. Schließlich fanden wir Highlights, die es nur für diesen einen Tag waren. Mir wurde bewusst: Es ist momentan für uns sehr wichtig im hier und jetzt zu leben. Nicht wir sonst so oft zwei, drei oder mehr Schritte voraus – nein wir sind im jetzt.

 

Während ich diese Zeilen schreibe, kann Alu immer noch nicht einschlafen. Ihr ist schlecht, etliche Medikamente haben ihr zugesetzt. Doch der befreiende Schlaf, der kommt nicht. Zwar kenne ich das mit der starken Übelkeit noch nicht bei ihr, doch das mit der Schlaflosigkeit unter der Chemo, vor allem in den ersten Tagen, das hatten wir schon. Viel kann ich nicht tun. Da und dort versuche ich ihr etwas abzunehmen. Solange es mir gut geht. Heute war es also nur das nötigste. Mir half eine Schmerztablette. Leider taten es die Medikamente bei Alu bis jetzt nicht. Vermutlich wird es eine durchwachsene Nacht, doch die gönnen wir uns. Nach dem Motto: Schlafe, wenn das Baby schläft. Vielleicht fahren wir beide nächste Woche sogar spontan weg. Und wenn nicht kommende Woche, dann irgendeine andere in diesem Tanz mit dem Geschwür.

Ich schaue auf den Rücken meiner schönen Frau und mir wird (noch) wärmer ums Herz. Dieser Mensch gehört zu mir. Alles erdenkliche möchte ich für sie, für uns tun. Dort liegt ein wunderbarer, starker, gewitzter und kluger Mensch. Ich darf Anteil an ihrem Leben haben. Dabei entschleunigen wir doch gerade. Jedoch ist jeder Spaziergang, jede Strapaze, der Besuch in der Klinik oder das Ärgern über die Kinder oder einander auch ein großartiges Geschenk. Diese Momente lassen uns die Sorgen vergessen. Der Alltag erledigt still und unaufgeregt seine Dienste und schenkt und dann und wann sorglose Stunden.

Wir müssen das schaffen, wir werden es hinbekommen, um unserer Zugeneigtheit willen. Für mich ist dies ein für immer, ich weiß, dass wir den Krebs bezwingen. Ich glaube an unsere Kraft als Paar. Das ist kein Reim und ich habe keine gute Melodie im Kopf, doch es ist mein Liebeslied für dich, meine leiderprobte, innig geliebte und lebenslange Partnerin!

Konsti