Das Thema Familie ist ein wichtiges. Natürlich bei mir auch, weil es sich um meine aktuelle Lebensphase handelt. Das finde ich nicht schlimm. Wenn Dinge besonders in den Fokus geraten, die einen selbst beschäftigen, dann ist es so. Zumal ich behaupten möchte, dass die Familienphase in vielerlei Hinsicht eine wichtige in unserer Gesellschaft ist.
Da diese spezielle Zeit etliches interpoliert, von dem man sagen würde es hat gesellschaftliche Relevanz, darum geht es. Denn im Familienleben geht es um Sex and Crime, in echt und übertragen. Es geht um die Menschen der Zukunft (auch als Kinder bekannt). Es geht um potente ArbeitnehmerInnen und -nehmer. Es geht um die zukünftigen Alten und das Sozialsystem. Mit immerhin noch gut 11,5 Millionen Familien, sprechen wir hier von keiner kleinen Gruppe und von sehr, sehr vielen zukünftigen Akteurinnen unserer Gesellschaft.
Gut also, dass auch Familien in der Pandemie zum Thema in den Medien werden. Dabei stelle ich fest, dass die Beiträge gerne tendenziös sind. Oder aber sie erzählen nur einzelne Beispiele. So ist es auch neulich wieder geschehen, als im Ersten „Mütter, Väter, Kinder im Stress“ gezeigt wurde. Ich würde mir so wünschen, dass die journalistische Grundregel (zumindest habe ich mir sagen lassen es sei eine), bestmöglich das ganze Themenfeld zu beleuchten, auch eingelöst wird. Oder aber man betitelt das ganze richtig. Denn es war kein Querschnitt der Familienlandschaft in Deutschland.
Während statista, wo ich die Zahl oben schon her habe das Feld Familie umfassend definiert, indem dort steht: „Die Familie im statistischen Sinn umfasst […] alle Eltern-Kind-Gemeinschaften, d. h. Ehepaare, nichteheliche gleich- und gemischtgeschlechtliche Lebensgemeinschaften sowie alleinerziehende Väter und Mütter mit ledigen Kindern im Haushalt. Einbezogen sind in diesen Familienbegriff neben leiblichen Kindern auch Stief-, Pflege- und Adoptivkinder ohne Altersbegrenzung.“ (Q: J. Rudnicka, statista.de, veröffentlicht am16.07.2020, Zugriff unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/2281/umfrage/anzahl-der-familien-in-deutschland/#:~:text=Im%20Jahr%202019%20gab%20es,mit%20ledigen%20Kindern%20im%20Haushalt.)
So ließ auch dieser Bericht sehr viele Familientypen einfach aus. Selbst die ExpertInnen erwähnten besondere andere Gruppen nicht. Dabei wurde doch stark historisch argumentiert. So ging es um das Rollenverständnis. Und das was dort benannt wurde waren Familienbilder der alten BRD. So als hätte es 1990 nicht gegeben. Als wären in der DDR nicht auch Millionen von Familien gewesen. Doch solche Sensibilität lässt selbst das öffentliche Fernsehen vermissen. Das ärgert mich. Umso trauriger, da es echt tolle ExpertInnen waren. So beschleicht mich die Sorge, dass falsche Fragen gestellt wurden, oder zu sorglos geschnitten wurde. Ich wünsche mir mehr Sorgfalt und Qualität in solchen Berichten. Denn immerhin haben die gut 45 Minuten nach den Tagesthemen (also eher spät, ca. 22:50) 1,19 Mio Menschen gesehen (Einschaltquoten vom 9.11.2020, unter: https://www.daserste.de/programm/quotendetail.asp).
Es kamen beispielsweise keine LGBT-Familien vor. Es gab keine Patchwork Familien. Es gab keine Familien im ALG2 Bezug. Es gab keine Familien die getrennt erziehen. Es gab keine Familien in denen die Frauen die Hauptverdienerinnen sind. Es gab keine Familien mit Behinderungen. Es gab keine Familien mit POC. Es gab einfach keine Vielfalt. Außerdem kamen alle gezeigten Familien (scheinbar) aus dem ehemaligen Westen Deutschlands. Auch die Idee, dass wir Väter verstärkt partnerschaftlich und gleichberechtigt ab dem 1. Lebenstag in der Familie mitleben, ist höchstens zu erahnen.
Ansonsten stehen wir Papas in diesem Bericht, neben den mental geladenen Frauen, weil sie einfach alles besser können. Peinlich. Peinlich. Ich meine, ein Vater der mit vier Jahren die Kinder das erste Mal allein ins Bett bringt? Was hat der denn an all den anderen Abenden vorher gemacht? Ich murmelte immer mal wieder in meinen Bart “Schon mal was von Mentalload gehört?” und schüttelte den Kopf. Corona als Brennglas, das funktioniert eben nicht in allen Ebenen.
Zumindest bleibt dieser Eindruck am Ende für mich übrig. All das erfüllt nicht den Anspruch des Titels. Nun hoffe ich, dass es weiter geht mit dem Berichten und das auch alle anderen Facetten der bunten Familienvielfalt gebührend vorkommen.
Schließlich geht es um viel. Und wenn wir als Gesellschaft nicht auch unsere Familien pflegen, wird bald kaum noch jemand die Energie aufbringen können, die es braucht die Welt nach Corona zu gestalten.
Konsti
Von Vielfalt in Kinderbüchern #Verlosung #Podcast #Kinderbuchtheke
2 Comments
K.
16. November 2020 at 10:48Ja, leider, leider so ist es. Mich nervt immer wieder extrem, dass nur das Familienbild der ehemaligen BRD als das Bild dargestellt wird, in dem die Männer arbeiten und die Frauen die Kinder betreuen. Das ist eben in 5 Bundesländern nicht so, so sind wir in diesen 5 Bundesländern nicht aufgewachsen und ich wüsste nicht, warum meine Kinder heute so aufwachsen sollen. Es ist absurd, es kommt aber irgendwie auch keinem in den Sinn, dass das Familienleben in Deutschland nicht homogen ist. Meine Kinder waren im Januar zur Rehakur, wir Eltern waren beide abwechselnd mit bzw. auch gleichzeitig mit ihnen da. Mein Mann war deutlich in der Unterzahl, ein Exot. Auch mußten wir in Therapien immer wieder mit dem Bild aufräumen, dass die Kinder ab mittags bei uns zu Hause wären im Alltag, denn so funktioniert es ja bei uns nicht… als mein Mann heimfuhr nahm er erstmal eine große Tasche schmutzige Wäsche mit, die er zu Hause auch wusch, damit es uns nach 4 Wochen nicht erschlägt, bei meiner Kurnachbarin kam ihr Mann zu Besuch, der seine Dreckwäsche der Woche mitbrachte, damit sie die Frau in den Münzwaschmaschinen der Einrichtung wusch. Sie hatte natürlich auch alle 3 Kinder der Familie alleine mit zur Kur… wer kam wohl woher? Ich glaube es liegt noch ein langer Weg vor uns!
Dresden Mutti
19. November 2020 at 11:19Ich stimme dir zu. Ich fühlte mich tatsächlich auch weniger abgeholt, weil das “Problem” z. B. darin gesucht wurde, dass unsere Mütter nicht gearbeitet hätten, doch wie du richtig schreibst, ist das ja nur in der BRD so gewesen. In der DDR haben sie sehr wohl gearbeitet und so bin ich auch aufgewachsen … Wenn man keine Familien für das Format gewinnen konnte, die nochmal eine andere Perspektive zeigen, dann hätte man die Diversität anders auffangen können – z. B. durch die Animationen und den gesprochenen Text.