Eigentlich sollte hier ein Text zum Equal-Pay-Day stehen. Ich hatte ihn am Wochenende vorbereitet und nochmal extra dazu recherchiert wie das nun ist mit den unbereinigten 21 % und dem Verhältnis der Care-Arbeit die niemals ausgezahlt wird (außer in feuchten Küssen der Kinder!).
Dann aber nahm der Artikel Entwurf in meinem Kopf seltsame Bahnen. Plötzlich war ich bei den Unterschieden von Ost- und Westgehältern, bei Lebenshaltungskosten die immer noch als Vergleich für all diese Ungerechtigkeiten herangezogen werden und bei der Frage nach strukturschwachen Regionen und Großkonzernen, die dann wohl doch eher in Bayern als in Sachsen sitzen…
Heute ist es soweit: Der Equal Pay Day wird begangen. Immer noch verdienen Frauen 21% weniger Bruttolohn als Männer, in den alten Westbundesländern liegen die Unterschiede statistisch bei 22% und in der ehemaligen DDR bei 7%. In den letzten Jahren ist keine große Angleichung geschehen, obwohl bereits seit einigen Jahren das Equal Pay überall aufgegriffen wird und viele Broschüren und Leifäden dazu erschienen sind. Vielleicht erreichen ja diese ganzen Blätter einfach nicht die Richtigen? Hat die BVG mit ihrer Kampagne des Frauentickets für den einen Tag also mehr Aussenwirkung als neue Flyer? Ich habe den Kindern dieses Video gezeigt in denen Kinder darüber sprechen warum Männer und Frauen eigentlich unterschiedlich viel verdienen.
..und dann konnte ich plötzlich nicht mehr über das Thema schreiben. Ich merkte einfach zu sehr, wie wütend und traurig mich das alles macht.
Ich bin 37 Jahre alt, habe drei Kinder, studiere, verdiene Geld im berüchtigten Home-Office (weder in Schlappen noch im Bett) und habe auch nur einen 24 Stunden Tag. Eltern haben kaum Zeit und Kraft sich noch über die Maßen politisch zu engagieren und das wissen ALLE! Sie sind mit der Aufzucht und Pflege der tollsten Kinder der Welt betraut, versuchen ihre Hintern beruflich an irgendwelche Wände zu bekommen und kümmern sich irgendwann auch noch verstärkt um ihre eigenen Eltern. Nicht mal zum Jammern kommen diese Eltern wirklich, und wenn dann eher hinter verschlossenen Türen oder in einer Online-Petition. Für die Parteien läuft diese Gruppe der Wähler einfach nur mit. Hier mal eine “Begünstigung”, da mal ein “steuerlicher Vorteil” und schon erhofft man sich vor den Wahlen eine Stimme zu erhaschen. Wirklich zugehört und hingeschaut wird da nicht. Was brauchen Eltern? Was brauchen Familie in Deutschland?
Diese starke Müdigkeit, die uns Eltern manchmal sogar buchstäblich in den Wahnsinn treibt, erkennt jedoch nun die Möglichkeiten der #Fridaysforfuture Bewegung. “Doch nicht alles verkehrt gemacht”, denke ich, als das große Kind mit der Demofrage auf mich zukommt. Unsere Kinder (und ihre Freunde) interessieren sich plötzlich doch für Politik und ihre Umwelt. Ganz abseits vom erhobenen Zeigefinger der Erwachsenen. Sie erheben ihre Stimmen, zu Tausenden!
Kinder, denen leider niemand etwas zutraut, überblicken den Ernst der Lage des Klimawandels und gründen nicht erst einen Arbeitskreis für Umweltfragen GÄHN!!!! Sondern handeln! Großartig ist diese Initiative und sehr Mut machend! Ich bastle, mit Zahnstochern in den Augen, gern Plakate für diese Demonstrationen und ich begleite das große Kind auch gern. Ich erstelle gern Materialien für den Schulunterricht oder spreche mit den Lehrerinnen, weil es eine CHANCE ist. Es zeigt: Lasst uns nicht vergessen, das wir ALLE eine Stimme haben und auch ein Recht haben diese zu nutzen! Es ermutigt uns Eltern vielleicht auch wieder mehr, einmal selbst unsere Wut und Motivation für sinnvolles zu nutzen. Wir sind doch keine kleine Gruppe, die man einfach so vergessen kann! Also, lasst uns #lautwerden! Am besten in unseren Schlafanzügen. Beginnen könnt ihr damit jeden Freitag bei #Fridaysforfuture oder bei der Demo gegen Kinderarmut in Berlin am 11.Mai 2019 um 14 Uhr am Berliner Neptunbrunnen!
Auch Eure Beiträge (und Kommentare) im Internet helfen dabei die Gruppe der Eltern sichtbarer werden zu lassen!. Von sicherer Geburt bis zur Kitakrise und der Anerkennung von Care-Arbeit. Von Netzsicherheit über Kinderrechte! Es gibt, paralell zum Equal-Pay-Day, noch so viele lose Enden, zu denen man sich äußern kann!
Ich weiß, DU bist müde! Ich bin auch müde! Aber vielleicht macht eine demonstrierende Meute wütender und sehr müder Familien in ihren Schlafanzügen (und mit großen Tassen Kaffee) dann trotzdem den Unterschied! EINEN SICHTBAREN UNTERSCHIED!
Was denkst Du?
Alu
3 Comments
Katharina
19. März 2019 at 16:01Ganz einfach, Alu! Du bist 37, hast 3 Kinder, darfst in Deinem Alter noch studieren, und wenn Du dabei einigermassen anständig leben möchtest (Haus etc.), brauchst Du auch einen Job, um das zu finanzieren. Ein Grund zur Demo? Es gibt viele Gründe für Familien, auf die Strasse zu gehen, aber sicher nicht Deine Situation.
Frida Mercury
20. März 2019 at 09:39Deepest respect für deine / eure Leistung! Ich bin auch immer so so müde… und ganz ehrlich das mit dem Home Office ist krasser als ein “normaler” Job, deshalb geh ich auch wieder “zurück”… Liebe Grüße, Frida
Anne
20. März 2019 at 16:37@Katharina: ich hab es nicht so verstanden, dass Alu wegen ihrer persönlichen Lage demonstrieren möchte, sondern dass ihr deswegen Ressourcen für noch mehr politisches Engagement fehlen. Und ich finde, politische Texte zu schreiben IST schon viel Engagement. Danke dafür.