Heute habe ich Heimweh. Mein Herz fühlt sich richtig schwer an heute und ich sitze auf dem Zimmer und tippe diesen Text. Fast zwei Wochen sind der Sohn und ich bereits auf der #Kinderreha und die Zeit ist wirklich emotional sehr anstrengend und macht müde. Ich wünschte einfach, dass ich mich nach einigen Gesprächen mit meinem Mann austauschen könnte, denn immerhin geht es ja hier um unser Kind und nicht nur meins. Die Tage beginnen auf dieser Reha mit Kind jeden Tag um 6.45 Uhr, auch am Wochenende.
Während wir uns mit Therapien und Gesprächen durch den Tag hangeln, kommt man als Begleitperson kaum dazu seine Seele mal auszuschütteln, wie muss es dann erst dem Kind gehen?
Am Abend treffen sich zwischen 21 und 22 Uhr die Mütter (es sind auch zwei Väter hier) zum gemeinsamen Abhängen im Aufenthaltsraum. Jede von ihnen hat sich ein Projekt für diese Woche vorgenommen. Eine wollte stricken, die andere das Babyalbum des jetzt 10-jährigen Therapiekindes kleben. Am Abend hängen wir in den Seilen und erzählen uns gerade noch so vom Tag. Die Projekte und Bücherstapel setzen Staub an.
Der begleitende Therapeut meinte gleich zum Anfang
„Ungefähr nach der Hälfte zeigen sich die ersten Fassadenrisse und die Kinder zeigen nochmal all ihre Seiten. Das Zusammenleben ist eng und es bleibt nicht unanstrengend.“
Dass, dies zutrifft kann ich eindeutig bestätigen, denn selten habe ich so viele tägliche Gespräche über aufgetauchte Problematiken geführt, wie hier. Nicht nur das Kind und seine Ecken und Kanten führen zu vielen Gesprächen, auch der stehengelassene Abwasch oder das Augenrollen von anderen Eltern.
„Man kann nicht, nicht kommunizieren“, lautet doch ein Spruch und so kommuniziere ich hier den ganzen Tag, selbst wenn ich nicht möchte.
Wenn ich dann Videocalls mit der Jüngsten daheim versuche (Internet ist ja nur in der Lobby), dann wird entweder mit dem Handy gewackelt oder gefragt wann denn endlich ein Päckchen ankommt. Das alles setzt uns Beiden hier zu. Auch ohne Corona wäre die Abwesenheiten der Familie schon schwer zu ertragen, so aber müssen (und machen wir auch) hier zehn Familien permanent unter sich blieben, Besuch ist untersagt und die Kinder gehen sich in ihren kleinen Zimmern, die sie sich mit ihren Begleitpersonen teilen müssen, auf die Nerven.
Für die nächste Reha würde ich daher immer nochmal schauen:
Wie viele Begleitkinder kann ich mitnehmen und ab welchem Alter?
Wie ist die wirkliche Zimmerausstattung?
Was nehme ich mir wirklich für meine „Freizeit“ vor und ist das realistisch?
Und: in welcher Jahreszeit ist die #Kinderreha sinnvoll?
Im derzeitigen Frühling, mit immer wieder Regen- und Schneetagen sind eben doch alle zu wenig draußen.
Trotzdem ist die Reha die richtige Entscheidung. Dass sich Brüche und Risse zeigen, dass ist der erste Schritt und emotional anstrengend sind Veränderungen auch immer wieder erneut.
Ich kämpfe mich also durch das Heimweh und trinke am Abend einen Tee mit den anderen Erwachsenen. Mein riesiger mitgebrachter Bücherstapel setzt weiter Staubflusen an und ich beginne ihn einfach als Nachtisch Ersatz zu verwenden, wie praktisch.
Merke:
- Eine Kinderreha ist kein Urlaub
- Die Therapien und Anwendungen können das Kind emotional und körperlich an die Grenzen bringen
- Durch die Intensität der Reha tritt nach ca. 50% der Reha ein Tiefpunkt ein
- Heimweh gehört für alle Teilnehmerinnen dazu und steht für eine starke Bindung
- Als Begleitperson muss man viel Geduld für Menschen und Situation mitbringen
- Es bleibt keine Zeit für eigene Hobbys – alles konzentriert sich aufs Kind
3 Comments
Lotti
3. Mai 2021 at 21:55Hi Alu, habt ihr es mal mit Sprachnachrichten, vor allem zwischen der Jüngsten und dir probiert? Ich mag ansonsten keine Sprachnachrichten, doch zu diesem Zweck finde ich sie super hilfreich: Ich hatte immer viele (längere) Dienstreisen, mit damals 3 kleinen Kindern daheim. Telefonieren war Stress für die Kinder (viel zu aufgeregt….) und für den daheimgebliebenen Vater auch (Zeitpunkt passte nicht, Kinder voll aufgedreht, traurig anschließend etc.). So konnte ich in Ruhe eine Nachricht sprechen irgendwann am Tag, wenn Zeit und Internet es erlauben, die dann Zuhause zu einem passenden Zeitpunkt (meistens abends vor der Geschichte) angehört werden konnte, ohne die Daheimgebliebenen aus irgendwas rauszureißen. Für uns ist das immer noch – auch wenn wir jetzt mal ein Wochenende getrennt verbringen, der beste Weg des Austauschs mit den jüngeren Kindern. Vielleicht hilft euch das auch?
Lotti
3. Mai 2021 at 21:57P.S. Und ansonsten wünsche euch allen gutes Durchhalten und am Ende hoffentlich ein positives Fazit, also das Gefühl, dass sich Anstrengungen und Mühen gelohnt haben!
K.
4. Mai 2021 at 13:21Hallo, ja diese Gefühle kenne ich auch. Und mir wird bewusst wieviel Glück wir hatten, dass unsere Reha wenige Wochen vor Corona war, dass ich beide Kinder (wenn auch mit unterschiedlichen Diagnosen und damit verbundenem doppelten Therapie- Stress) dabei hatte und uns mein Mann 2 mal für einige Tage besuchen konnte.
Ich habe mich nach einer Weile bewusst von den anderen Erwachsenen distanziert, ich habe die „Wir sind schlimmer betroffen, uns gehts aber noch viel schlechter- Geschichten“ einfach nicht ertragen. Ich habe mich für meine Kinder über jeden Therapiefortschritt gefreut und fand das „ Geprahle mit Leiden“ entsetzlich. Außerdem hatte ich festgestellt, dass die meisten Familien sicherlich bedingt durch den Ort der Reha in einer anderen Lebensrealität als wir leben (Max. halbtags beschäftigte Mütter, Väter, die sich bei den Kindern nicht beteiligen…, Ich arbeite fast Vollzeit, in unserem Familienleben ist der Papa gleichberechtigt und engagiert). Das war selbst einigen Therapeuten für die Zeit zu Hause nicht so bewusst, dass unsere Kinder z. B. im freien Hort vespern oder eben nicht. Da haben mich die anderen Eltern einfach zu sehr angestrengt. Ich habe dann in therapiefreien Zeiten mit den Kindern unser Ding gemacht. Und wir haben auf dem Zimmer gefrühstückt, das hat den Morgen sehr entspannt (ich habe uns Cornflakes und Milch und Obst und mir löslichen Kaffee gekauft), dadurch konnten die Kinder mindestens eine halbe Stunde länger schlafen. Vielleicht geht das bei Euch auch. Und mit der Distanz war es am Ende sogar gut, so sind wir dem Influenza und RSV Ausbruch und diversen Magen- Darmviren entgangen. Nach der Reha sieht man den Rest eh nie wieder.