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Brustkrebs Elternleben

Danach der Tag – Über die Trauer

Gestern ist jemand an Krebs gestorben, den ich sehr mochte.  Meine letzte Nachricht an die Person lautete “Hey Liebes, wie geht es dir? Was gibt es Neues?” und natürlich werde ich auf diese Fragen keine Antworten mehr erhalten, denn dieser wunderbare Mensch ist tot.

Dieser Mensch der da gestern gestorben ist war “Ein Herz auf zwei Beinen”. Ein Mensch mit einer so dreckigen Lache, dass du nur mitlachen konntest, wenn sie neben dir stand. Ein Mensch, den du immer fragen konntest, um Rat. Da war zum Beispiel mal ein Problem in unserer alten Wohnung. Ich twitterte dazu, sie rief mich an. Oder da waren die Diagnostikzeiten mit unserem Sohn. Ich twitterte dazu, sie rief mich an. Nach den Wahlen tauschten wir uns aus, schickten uns Screenshots verschiedener Hochrechnungen und Möglichkeiten. Sie hatte Sorgen bei ihren Kindern. Ich rief sie an.  Jedes Weihnachten bekam ich eine Karte, eine großartige Weihnachtskarte. Ich freute mich schon immer darauf. Als ich (nach unserem Umzug) mal keine bekam, da beschwerte ich mich bei ihr: “Hey, was ist los? Keine Weihnachtskarte in diesem Jahr?” und bekam dann doch noch eine, nach Weihnachten! “Siehste Konsti”, sagte ich “Ohne ginge das doch auch nicht, dieses Weihnachten” und wir grinsten.

Dieser Mensch kannte Krebs. Schon lange wütete diese beschissene Krankheit, dieses Ekel, dieser Parasit in ihrer Familie. Als sie vor sechs Wochen die Diagnose bekam, da kannte sie den Feind. Dieses Mal war ich es die sie zuerst anrief. Ich gab ihr Tipps, schickte ihr Nachrichten mit aufheiternden Fotos. Ich fragte nach Perücken und zusätzlichen Kissen. Ich rief sie an um ihr von meiner Entdeckung zu erzählen, dass Kohlblätter wirklich wunderbar kühlen und wir erinnerten uns daran, dass dies doch auch in den Stillzeiten empfohlen worden ist. Ich erzählte ihr vom Port anstechen, von Venen- Zugängen und von dem Geruch von Ingwer, bei dem ich weiterhin brechen muss.

Wir sprachen über den anstehenden Geburtstag ihrer Kinder, dem sie voller Hoffnung entgegensah. “Ich weiß schon wofür ich das alles mache”, sagte sie. “Meine Mama soll mich nicht auch noch beerdigen. Meine Kinder und mein Mann brauchen mich.” Ich wusste was sie meint.  Ich schickte ihr immer wieder Nachrichten, fragte nach wie es gerade läuft. Nach jeder Untersuchung schrieb ich ihr, dass sie stark sein soll. Das ihr Kampf mit den Chemotherapien konkreter beginnt und das dann auch die Ängste kleiner werden. Das sie nicht wie die Anderen ist, sondern ein “Herz auf zwei Beinen”. Ein Mensch mit einer dreckigen Lache, die so ansteckend ist, dass man mitlachen muss. Ich stellte ein kleines Paket zusammen. Das Buch von Lea Streisand “Im Sommer wieder Fahrrad” hatte ich besorgt und eine tolle Karte vom Meer, das mochte sie so gern.

Nun ist dieser tolle Mensch gestern, am Geburtstag ihrer Kinder, überraschend verstorben. Am Anfang des Kampfes verlor ihr Körper die Kontrolle. Für sie ungewöhnlich, denn sie gab diese ungern ab. Ich kann also nur hier sitzen und dieses Lied in meinem Kopf hören und mich fragen:

What is it good for? Absolutely nothing, just say it again. Whoa, huh. What is it good for? Absolutely nothing, listen to me.“

Fakt ist: Ich sehe keinen Sinn in einer Krebserkrankung. Niemand hat weder Karmapunkte noch Änderungen beschworen.

Es kann nichts „Gutes“ daran sein schwer zu erkranken. Es kann nichts „Gutes“ daran sein Angst zu haben. Es kann nichts „Gutes“ daran sein finanzielle Sorgen zu durchleben. Es kann nichts „Gutes“ daran sein traumatisiert zu werden.

Ich sehe keinen Sinn in einer Krebserkrankung. Niemand hat einen Dämpfer, noch eine Belehrung benötigt.

Es kann nichts „Gutes“ daran sein den Körper an seine Grenzen zu bringen. Es kann nichts „Gutes“ daran sein die eigenen Kinder weinen zu sehen. Es kann nichts „Gutes“ daran sein Arzttermine statt Kinobesuche zu absolvieren. Es kann nichts „Gutes“ daran sein Freunde zu verlieren. Es kann nichts “Gutes” daran sein die Kontrolle zu verlieren. Es kann nichts „Gutes“ daran sein sich zu fühlen als sei man nur halb, statt ganz. Es kann nichts “Gutes” daran sein zu früh zu sterben.

„What is it good for? Absolutely nothing“

Mach es gut Liebes. Ich denk an dich. Am Tag danach und danach am Tag.

Alu

Wir sammeln für die Familie, hier der Link Murmelfamilie

wenn jemand an Krebs stirbt

“Müssen wir alle sterben?” Mit Kindern über den Tod sprechen #Werbung

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4 Comments

  • Ju
    1. März 2023 at 16:15

    Danke Alu. Für deine Gedanken und diesen Text. Ich höre auch immer wieder ihre dreckige Lache. Und denke an die Zwillinge, deren Geburtstag nun auch der Todestag der Mama ist. Und an ihren Mann und ihre Mama.
    Herz auf zwei Beinen, so eine schöne Beschreibung

  • Nadine
    2. März 2023 at 09:12

    Mein aufrichtiges Beileid! Ich “kenne” die Murmelmama von ihren Beiträgen auf dem chaoshoch2-Blog und es ist einfach so unfaßbar…

  • Dagmar Gericke
    6. März 2023 at 11:13

    Ich sitze hier mit Tränen in den AUgen und fühle so sehr mit. Und du hast so recht. Es gibt keinen Sinn in diesem Mist. Es gibt nur unendliche Trauer drüber. Das alles kenne ich auch noch. Die letzten Worte, die eine Freundin mir als Sprachnachricht geschickt, da hatten wir beide Krebs, die habe ich bis heute. Ich bin noch da, sie nicht. Da gibt es keinen höheren Sinn, kein Karma. Nur ein Versuch, mit dem oft Unbegreiflichen zu leben.

  • Wenn die Koffer rufen #Tagebuchblog am 5. Mai
    5. Mai 2023 at 19:03

    […] Danach der Tag – Über die Trauer […]

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