In unserem Haus gibt es eine Abstellkammer. Nicht, dass sie jetzt denken, dass so ein gruseliger Raum voller alter Kartons und Familiengeheimnisse oder so. Ich rede einfach von unserem Abstellraum, mit einer Therme und dem ganzen Papiermüll, der sich bei einer fünfköpfigen Familie so ansammelt. In diesen Raum habe ich vor einiger Zeit eine leere Umzugskiste gestellt.
Ich meine, ich bin Mutter. Ich agiere vorausschauend und da unser großes Kind bald 18 Jahre alt wird und vielleicht bald ausziehen könnte, fange ich an Kleinigkeiten für einen baldigen Auszug in diese Kiste zu tun.
Eigentlich fing das alles ganz harmlos an, denn ich konnte „Kevin die Käsereibe“ nicht mehr finden. Also kaufte ich irgendwann eine neue Käsereibe und nahm diese in Betrieb. „Kevin 2.0“ war schmaler, lag besser in der Hand und rieb eben mehr Käse in einer Minute. Also der KPM-„Käse Pro Minute“ konnte stetig erhöht werden. Doch eines Tages tauchte Kevin die Reibe wieder auf und ich hatte nun einen Kevin übrig. Was tun mit einer Käsereibe zu viel? Man kennt das ja, man hat zu viel. Also stellte ich diesen Karton auf, natürlich mit den besten Absichten, und tat Kevin 1.0 in die Kiste.
Als nächstes sortierte ich Holzkochlöffel aus. Irgendwie haben wir im Laufe der Jahre viele Holzkochlöffel geschenkt bekommen, wahrscheinlich als Mitbringsel aus diversen verschiedenen Ländern. Jedenfalls war da plötzlich ein Überangebot an Löffeln aus Olivenhol, Zedernholz, Kirschholz und Eichenholz und ich tat heimlich immer mal wieder einige Holzlöffel in die Kiste.
Es folgten Salatschüsseln, Brotdosen und natürlich Tassen, denn OH MEIN GOTT: Wie viele Tassen braucht eine einzige Familie? Immer wieder bekommen wir welche geschenkt mit „großartigen Bildern“ oder Sprüchen wie: „First Coffee Date“ oder „Ohne Kaffee ohne mich“.
Eine meiner geschenkten Lieblingstassen hat eine kleine Katze innendrin, der man dann die heiße Flüssigkeit auf den Kopf kippt. Außen drauf steht „Nicht jeder Engel hat Flügel, manche haben Schnurrharre“ Ich fühle mich jedes Mal ein bisschen so, als ob ich eine Katze umbringe, wenn ich den warmen Tee über das niedliche Tier kippe.
Die nicht benannte Umzugskiste wuchs also immer mehr und langsam tauchten erste Fragen von anderen Familienmitgliedern zu meinem ausgelagerten Küchenbedarf aus. „Frau, was ist das für eine Kiste?“ konnte ich noch ignorieren oder so tun, als hätte ich gerade meine Ohren mit frischer Wäsche verstopft, aber eines Tages fragte mich der Teenager ganz konkret „Mama, wat isn dit für ne Kiste? Flohmarkt?“
Ich seufzte tief und hielt einen Moment inne. „Natürlich nicht für den Flohmarkt“, begann ich, „als diese Schätze sammle ich für dich, damit du eines Tages in ferner, ferner Zukunft (dabei kreuzte ich meine Finger vielleicht ein bisschen) bereits ein wenig Küchenutensil hast, solltest du ausziehen.“ Der Blick des Teenagers verfinsterte sich. „Was? Du sammelst das alles für mich? Ich soll ausziehen?“ und wurde plötzlich ganz nervös.
Da muss man als Mutter auch erstmal beruhigen und gleichzeitig die eigenen Gedanken zügeln, denn ja: Die Pubertät ist nicht nur dafür da, dass sich die Kinder von den Eltern lösen, sondern auch sich die Eltern von den Kindern und ich mag diesen Prozess.
Die Aussichten eines Tages weniger Wäsche, weniger Essen, weniger Brotdosen, weniger Wartezeiten vor den Badezimmern und weniger Elterntaxi Termine wahrnehmen zu müssen, das macht mich schon ein bisschen glücklich und so sammle ich eben alles in dieser Kiste.
Ich erklärte dem Kind, dass alles mit Kevin 1.0 angefangen hat und das ich mich einfach gern laaaaangfristig und liebevoll auf eine ferne Zukunft vorbereiten möchte. Sie nickte und täuschte Verständnis vor. Wahrscheinlich tanzen im pubertären Hirn gerade alle Dinge durcheinander und versuchen immer noch die Worte „Auuuusssziiiiiieeeehhheennnn eigene Wohnung ZUUUUUKUNNNNNFT“ zu verarbeiten, jedenfalls sah das ein bisschen so aus.
Und dann schob ich das Kind aus unserer Rumpelkammer heraus und sah auf dem Weg gleich noch einen Eierbecher, der definitiv in die unbenannte Kiste kam. Eine Kiste voller Hoffnungen und Träume für eine dreifache Mutter mit zu viel Kochgedöns und zu wenig Zimmern.
Alu
1 Comment
Suomitany
29. September 2024 at 22:17Solche Kisten habe ich auch. Jaaaa Kisten, denn seit Omas Umzug ins Heim ist es noch mehr geworden und ich freue mich auf den Tag, wenn das Zeug weg kommt ;-))
Allerdings sind meine Kinder zum Teil schon länger erwachsen, lernen und studieren lange und die Kisten tragen bald Bart.
Ich bin gespannt, wann eure Kiste weiter zieht. LG Tanja