Nachdem wir uns in den ersten beiden Artikeln der Reihe #Grundschulzeit der Einschulung und der Vorbereitung der Kinder auf die Schulzeit gewidmet haben, geht heute mit Teil drei und spannenden Fragen zu den ersten Schulwochen weiter, immer aus Eltern- und Lehrerinnensicht:
Wie lange sollte ich das Kind morgens noch in die erste Klasse bringen?
Elternsicht:
Ich kann mich noch sehr genau an die ersten Wochen von der Großen erinnern, sie war irgendwie hin- und hergerissen zwischen „Ich bin groß lass mich allein gehen“ und „alles ist so aufregend, ich kann das noch nicht allein“ und so zerrissen waren wir als Eltern innerlich auch, es war seltsam das eben noch kleine Mädchen allein in einen Raum mit 25 unbekannten Kindern gehen zu lassen, aber gleichzeitig fühlte ich mich als Mutter auch gewachsen, innerlich. Wir haben die große Tochter insgesamt 14 Tage zur Klasse begleitet, danach nur noch bis zum Schultor, wie sie es wollte. Es gab auch nach sechs Monaten noch Eltern die ihre Kinder bis vor den Raum begleitet haben, aber irgendwann hat unserer Lehrerin ein klares „Machtwort“ gesprochen und gesagt, dass im Treppenhaus die Kinder zu verabschieden sind, damit die Kinder mehr Selbstständigkeit erleben, ich fand das logisch und man konnte den Erstklässlern richtig beim Wachsen zusehen. Jetzt beim zweiten Kind werden wir es wieder ähnlich handhaben, denken aber bereits jetzt, dass der Mittlere sich durch die vielen Besuche in der Schule bereits schneller zurecht finden wird und auch die Große ihn vielleicht gern morgens bringen mag.
Leherinnensicht:
Dieses Thema wird vielerorts leider etwas kontrovers betrachtet und nicht selten haben sowohl Kinder als auch Eltern gar nicht unbedingt die Wahl, ob sie ihre Kinder ins Schulgebäude/Klassenzimmer bringen. Oft gilt an Grundschulen nämlich „ab hier schaffen wir es allein“. Am Schuleingang erinnern Schilder daran, dass die Eltern ihre Kinder an der Eingangstür verabschieden und die Kinder den restlichen Weg allein bewältigen. An unserer Schule ist das zum Beispiel so. Ziel dieser Maßnahme ist, wie Alu schon sagt, die Förderung der Selbstständigkeit und das Stärken des Selbstvertrauens. Ein wichtiges Ziel, ohne Zweifel, aber durch diese Maßnahme wird eben sehr undifferenziert beschlossen, wie, auf welchem Wege und zu welcher Zeit alle Kinder diesen Entwicklungsschritt absolvieren müssen. Nämlich sofort mit Schulbeginn.
Ich selbst arbeite eigentlich anders, denn ich finde auch einem Schulkind steht eine Eingewöhnung zu.
Bei mir steht es also den Eltern zunächst frei, die Kinder bis ins Klassenzimmer zu begleiten. Und ab dann unterstützen wir gemeinsam den Ablöseprozess. So kann man zum Beispiel in folgeden Schritten vorgehen. Zuerst bis an den Platz begleiten, dann bis zur Klassenzimmertür, dann nur noch bis zur Treppe (falls sich so etwas anbietet), dann bis zur Schultür, dann nur noch bis zum Schulhof. Manche Kinder profitieren sehr von diesen allmählichen Schritten. Andere brauchen sie erst gar nicht. Aber ich wäre sehr dafür, dass eben Eltern und Kinder eine gewisse Wahl gelassen wird. Ich selbst bin in den ersten Wochen immer schon frühzeitig im Klassenzimmer, begrüße jedes Kind und fange diejenigen auf, denen das Lösen einfach noch schwerfällt. In der Regel ist innerhalb der ersten Wochen dieser Prozess dann abgeschlossen, denn die Kinder kennen die morgendlichen Abläufe, kennen mich, das Schulgebäude und all die neuen Kinder. Sie sind ein wenig an diesen neuen Herausforderungen gewachsen und gehen gern allein ins Klassenzimmer. So wie es nach einer richtigen Eingewöhnung eben sein soll.
Sollte das an der eigenen Schule nicht so erwünscht sein, mein Kind aber extreme Schwierigkeiten damit haben, würde ich das Gespräch suchen. Oft lassen sich Lösungen für die ersten Wochen finden. Als Lehrkraft kann ich diese Regelung ein wenig umgehen, indem ich in den ersten Wochen am Schuleingang warte und dort die Kinder begrüße und eventuell begleite, die diese Begleitung eben noch brauchen.
Was müssen die Kinder jeden Tag mit in die Schule bringen?
Elternsicht:
Ich weiß noch ganz genau was wir dem Kind am Anfang alles in den Schulranzen gepackt haben, neben ihren Heften, Büchern, der Federtasche und ihrer 0,5 Liter Wasserflasche haben wir ihr wirklich jeden Tag am Anfang Bastelmaterial (Kleber, Schere, großes Lineal, Klebepunkte und Malfarben) in den Rucksack gepackt, sowie Taschentücher und einen Regenjacke (zum zusammenknüllen), nach einiger Zeit haben wir jedoch gemerkt wie schwer der Ranzen wirklich ist und haben daher einfach reduziert. Die Lehrerin hat wirklich per Postmappe, oder E-Mail rumgeschickt was wann benötigt wird und das war sehr hilfreich. Ich finde es schlimm wie viel Kram die kleinen Mäuse am Anfang hin- und hertragen und im Zweifel würde ich immer wieder mal nachfragen bei den Lehrern was wirklich jeden Tag gebraucht wird. Was wir aber wirklich immer mitgegeben haben (und das auch weiterhin tun) ist Essen, Trinken, Schreibzeugs, Stifte und zwei Taschentücher für den Ernstfall.
Lehrerinnensicht:
Der Schulranzen des durchschnittlichen Grundschülers ist eigentlich grundsätzlich zu schwer. Bei uns läuft das so:
- Sportzeug wird montags in die Schule gebracht, dort die Woche genutzt und am Freitag allen Kindern zum Waschen mitgegeben.
- Bastelmaterial, Tuschkästen und Ähnliches lagert immer im Klassenzimmer. Ich habe mit den Eltern abgesprochen, dass ich einen gewissen Vorrat in der Schule habe (den die Eltern noch vor der Einschulung im Klassenzimmer abliefern), so kann auch nichts vergessen werden und die Eltern wiederum haben einfach nochmal Kleber und Schere zu Hause haben, falls das für die Hausaufgaben notwendig ist.
- Schwere Bücher, Mappen und Hefte lagern ebenfalls in der Schule und es geht im Idealfall nur das mit nach Hause, was für Vorbereitung und Hausaufgaben benötigt wird. Für viele Eltern ist das gewöhnungsbedürftig, weil sie gerne mehr regelmäßigen Einblick in alle Mappen und Hefte hätten. Mit der Zeit fanden meine Klasseneltern das aber wirklich in Ordnung, denn gerade Mathe und Deutsch geht sowieso fast täglich mit nach Hause, da in diesen Fächern Hausaufgaben eigentlich auch täglich üblich sind. Dieses Vorgehen braucht natürlich eine Zeit, denn die Kindern müssen mit der Zeit lernen, ihre Sachen entsprechend ein- und auszupacken. Die einen können das wirklich fix, bei anderen unterstütze ich länger. Das macht aber gar nichts, denn am Ende haben sie wichtige Kompetenzen gestärkt.
- Jedes Kind hat einen persönlichen Ordner im Klassenzimmer mit Fächerunterteilungen. Immer vor den Ferien nehmen wir uns ein bis zwei Schulstunden Zeit und „misten“ alle Mappen aus. Wir heften alte Themen und Arbeitsblätter in das jeweilige Register. So werden die Mappen wieder schön leicht, die Kinder lernen eine Möglichkeit zum Entrümpeln und „Archivieren“ kennen und haben vor allem eine gewisse Eigenverantwortung dabei. Am Ende eines jedes Schuljahres gehen dann diese vollen Ordner mit nach Hause und man hat direkt eine gut sortierte Sammlung des Jahresstoffes beisammen.
Was genau passiert in den ersten Wochen eigentlich?
Elternsicht:
Ich weiß noch wie aufgeregt ich am Anfang war bei der großen Tochter, wann würde sie mit ihren ersten Buchstaben und Leseversuchen nach Hause kommen? Wann würden wir rechnen und lesen mit ihr üben können und dürfen? Doch, am Anfang passierte nicht viel, die Tochter erzählte immer nur was von neuen Freundinnen und Zeit zum Malen und ich hab mich echt irgendwann gefragt, was machen die da. Ich habe mir dann die Schulunterlagen nochmal genauer angesehen, überall waren Bögen in den Heftern zu sehen und ansonsten viele Bilder vom Schulgebäude und kleine Namensschilder der anderen Kinder usw.
Es dauerte einige Zeit aber dann habe ich verstanden, dass es am Anfang vor allem darum geht anzukommen und sich sozusagen sozial und emotional auch auf eine Lernatmosphäre einzulassen.
Es gibt für die Kinder so viel Neues zu entdecken und zu erleben, die Kinder müssen erstmal schauen wer ist da noch alles und was genau passiert hier eigentlich? Die Große hat (würde ich schätzen) ca. sechs Monate gebraucht um im Schulalltag anzukommen, all die Eindrücke und Menschen zu verarbeiten und sich dann Wissen anzueignen, irgendwann jedoch platzte der Lernknoten. Buchstaben und Zahlen begannen ihr zuzufliegen, aus den Bögen wurden Buchstaben und auch dem Spielen Zahlenreihen. Beim zweiten Kind weiß ich jetzt „Keine Panik“, das Lernen beginnt auf jeden Fall und immer irgendwie anders.
Lehrerinnensicht:
Es ist, wie Alu sagt. Die ersten Wochen gelten dem Ankommen. Im Schnitt werden 20 Kinder und eine Klassenlehrkraft zusammengewürfelt und es braucht Zeit sich zu finden. Wir widmen uns viel der sozialen Struktur, erarbeiten gemeinsame Klassenregeln und -wünsche. Ich helfe den Kindern in die Schulrhythmus zu finden. Wir arbeiten daran, die Konzentrationsphasen ganz langsam auszuweiten. Sie lernen mein Arbeits- und Lernprinzip kennen. Wir gestalten unser Klassenzimmer gemeinsam. Machen Patenaktionen mit dem zugeteilten Viertklässlerkind. Grob kann man dafür den Zeitraum bis zu den Herbstferien ansetzen. Das ist einfach die Eingewöhnungs- und Findungsphase, die wirklich sehr wichtig ist und darum eben auch intensiv für das Ankommen genutzt wird.
Natürlich läuft gleichzeitig auch „Fachunterricht“. Erste Buchstaben werden kennengelernt, erste Zahlen betrachtet. Aber der Fokus liegt eben noch eher auf dem Hineinfinden in das Schulleben.
An dieser Stelle ein paar zusätzliche Worte: Die ersten Schulwochen sind für alle, Eltern, Kinder und LehrerInnen, ein wahnsinniger Kraftakt.
Dieser Schritt bringt so viel Neues mit sich.
Nicht selten rumpelt es zu Hause erstmal ein wenig. Das ist völlig normal und legt sich mit der Zeit. Nicht wenige Kinder brauchen auch plötzlich wieder ein kleines Mittagsschläfchen. Denkt immer ungefähr bis zu den Herbstferien. Meist hat sich dann alles eingespielt und diese ein bis zwei Wochen Pause sind oft hilfreich um einmal in Ruhe zu verdauen. Danach geht es oft viel eingespielter, routinierter und ruhiger weiter.
Gibt es wirklich diese gruseligen Whats App Elterngruppen und ständige Elternbriefe?
Elternsicht:
Leider liebe Eltern gibt es all diese Gruppen von denen man immer hört wirklich. Es gibt Whats App Chat Elterngruppen, es gibt E-Mail Verteiler über die Nachrichten wie „Achtung, Läuse“ usw. kommen. An all diese Kommunikationswege muss man sich jedoch als Eltern erstmal gewöhnen, denn neben LehrerInnen Nachrichten gibt es auch noch E-Mails der Schulleitung und weiterer Eltern. Durch die Kita sind jedoch sehr viele Eltern schon Kummer gewöhnt, man muss sich also einfach nur umgewöhnen und kann sich bereits auf neuen Themen zur Diskussion einstellen „Mein Kind soll keine Wurst essen, bitte schmieren sie ihrem Kind keine Wurst mehr auf sein Schulbrot.“ „Mein Kind hat all seine Stifte verloren, kann jeder mal schauen ob er, sie, es Stifte von X hat?“ „Morgen ist doch der Ausflug in den Tierpark, wie viel Geld gebt ihr den Kindern mit? Sind 20 Euro zuviel?“ „Wer hilft beim Kuchenbasar 174774 am Wochenende?“ usw. usf. Ich muss ehrlich sagen dieser Druck der Eltern mit dem neuen Schulalltag und auch den ganzen Verpflichtungen aufgebürdet wird, den finde ich nicht ohne, man sollte versuchen als Eltern sich in keinerlei Stress verfallen zu lassen.
Lehrerinnensicht:
Es gibt wirklich eine gewisse Informationsflut. An Whats App Gruppen bin ich als Lehrkraft bewusst nicht beteiligt. Meine Handynummer bleibt bei mir. Ich gebe meine E-Mail-Adresse heraus oder rufe bei Telefonterminen von mir aus an.
Es kommen viele, viele Elternbriefe, Rundrufe, Kurzmitteilungen und E-Mails auf die Eltern zu. Ein Schulbetrieb ist ein komplexes System mit tausenden Termin, Organisationen und wichtigen Informationen. Die müssen natürlich kommuniziert werden. Ich selbst gebe immer nach den Ferien einen Klassennewsletter heraus. Dort beschreibe ich ganz grob, den fachlichen Inhalt der nächsten Wochen, schreibe ein paar überblickende Worte zur Klasse, gebe Tipps zu aktuellen „Problemem“ und weise auf die festen, folgenden Termine hin. Das ganze gibt es auch immer als Mail, damit es nicht verloren gehen kann. Damit fahre ich bisher sehr gut und es spart ein wenig Elternbriefe.
Ansonsten nehmt diese Flut ein wenig mit Humor. Humor hilft immer.
Welche weiteren Fragen habt Ihr noch? Auf welchen Themen sollten und können wir noch mehr eingehen?
Schreibt uns gern an alu@grossekoepfe.de, oder hinterlasst uns einen Kommentar. Der nächste Artikel der Reihe erscheint dann wieder bei liniert-kariert.
Sassi und Alu
5 Comments
Leonie
11. Juli 2017 at 16:59Oh ja! Ich erinnere mich nur zu gut: Vor der Grundschule der Großen war ein noch größeres Tor. Bis hierhin durften wir die Kinder begleiten – danach war Schluss. Oh man, das war schlimm für mich als Mama. Hätte meinem kleinen Menschen mit dem Großen Ranzen damals ein bisschen mehr Eingewöhnung und Begleitung gewünscht ..
Die 12von12 aus dem tropischen Regensommer am 12. Juli 2017
12. Juli 2017 at 20:38[…] Naja, essen K2 (der heute Probeschultag hatte) und ich eben Kaugummi zum Frühstück. […]
Alu und Konsti
12. Juli 2017 at 20:42Das ist schon echt alles sehr, sehr aufregend, auch wieder beim zweiten Kind <3
Die Freitagslieblinge mit Blumenwiese und Sakura
14. Juli 2017 at 21:48[…] richtig viel Lieblingsmomente gibt es in dieser Woche nicht, aber ich bin etwas für den Schulanfang von K2 unterwegs und das ist spannend und auch leicht unwirklich. Ich mache mir viel Sorgen darüber wie das wird […]
Rahel
2. Oktober 2017 at 08:09Danke, danke, danke für diesen tollen Beitrag! Ich bin sowohl Mama eines Schulkindes (gerade die Herbstferien erreicht, puuh) und Lehrerin an einer weiterführenden Schule. Aus meiner Sicht sind diese Eingewöhnungsphasen und Übergänge enorm wichtig und werden oft von denen unterschätzt, die schon jahrelang “im System” sind. Auch der Übergang von (bei uns hier) von Klasse 4 auf 5 in die weiterführende Schule ist ein richtiger Hammer und es dauert meist mindestens ein halbes, wenn nicht sogar das erste Jahr, bis wir das Gefühl haben, die Schüler sind richtig bei uns und ihrer neuen Klasse angekommen und absolut sicher und souverän unterwegs. Ein Riesenschritt!
Was mich gerade sehr verwirrt und nervt (vielleicht habt ihr einen Tipp oder Beruhigung für mich), ist, dass mein Schuljunge nun plötzlich sehr frech, sehr besserwisserisch und pampig ist. Vor allem uns gegenüber und seinen “Noch-Kindergarten-Freunden”. So kenn ich mein Kind gar nicht und es ärgert mich., was für einen Ton er anschlägt. Er ist der Jüngste in seiner Klasse, hat das Glück, beim Lernen super mitzukommen und “frisst” das Wissen in sich rein…da gibt es also keine Probleme, aber sein Sozialverhalten ist nun ja…ausbaufähig im Moment. Und dann gibt es wieder die Momente, wo er total weinerlich, anhänglich und sensibel ist. Ich komme mir vor, als hätte ich einen Teenie daheim, der mich abwechselnd wegschubst und dann wieder zu mir rennt.
Ist diese emotionale Achterbahn was, was auch dazugehört? Wie kann man dem “kleinen” Großen helfen?
Beste Grüße
R,